Kriterienkatalog für die Errichtung von Freiflächenphotovoltaikanlagen


Daten angezeigt aus Sitzung:  Gemeinderatssitzung, 06.11.2023

Beratungsreihenfolge
Gremium Sitzung Sitzungsdatum ö / nö Beratungstyp TOP-Nr.
Gemeinderat Gemeinderatssitzung 06.11.2023 ö 2

Sachverhalt

Bürgermeister Schabel erläutert, dass die Gemeinde Dischingen in den vergangenen Monaten verschiedene Anfragen zur Errichtung von Freiflächenphotovoltaikanlagen (FPV-Anlagen) erreicht hat. Solche können nur umgesetzt werden, wenn die Gemeinde hierfür über die Aufstellung eines vorhabenbezogenen Bebauungsplanes und die Änderung des Flächennutzungsplanes die bauplanungsrechtlichen Voraussetzungen schafft. Der Gemeinderat hat die Verwaltung beauftragt, einen Kriterienkatalog zu erarbeiten.

Der erarbeitete Kriterienkatalog orientiert sich an den / am
  • Vorgaben der Flurbilanz 2022,
  • Vorgaben des Regionalplans,
  • Kriterienkatalogen von anderen Gemeinden,
  • gemeinsamen Papier von Naturschutzbund Deutschland e.V. (NABU) und dem Bundesverband der Solarwirtschaft e.V. (BSW).


Kriterienkatalog für Freiflächenphotovoltaikanlagen (FPV-Anlagen)


  1. Standortwahl

FPV-Anlagen müssen möglichst in Reichweite von Einspeisungspunkten realisiert werden. Bei der Standortwahl ist grundsätzlich zu beachten:

    1. Ausschluss grundsätzlich nicht geeigneter Standorte (harte Restriktionen):
Diese Standorte sind für die Errichtung von FPV-Anlagen aus rechtlichen und/oder fachlichen Gründen grundsätzlich ungeeignet.
      1. Flächen, die als Vorrangflur in der Flurbilanz ausgewiesen sind
      2. Naturschutzgebiete,
      3. (Flächen-) Naturdenkmale,
      4. Überschwemmungsflächen, Wasserschutzgebiete der Zone I (und II),
      5. Biotopverbundflächen,
      6. Sowie in gesetzlich geschützten Biotopen nach § 30 BNatSchG.


    1. Ausschluss bedingt geeigneter Standorte (weiche Restriktionen):
Dies sind Flächen, die für die Errichtung von FPV-Anlagen nur bedingt geeignet sind. Diese Flächen haben in der Regel eine große Bedeutung für Natur und Landschaft. Vor diesem Hintergrund ist im Rahmen einer Prüfung des Einzelfalls darzulegen, ob und warum die mit der Errichtung von FPV-Anlagen verbundenen Auswirkungen auf Natur und Landschaft am konkreten Standort aus naturschutzrechtlicher und fachlicher Sicht vertretbar sind.
      1. Flächen, die als Vorbehaltsflur I in der Flurbilanz ausgewiesen sind, 
      2. Flächen, die als Vorbehaltsflur II in der Flurbilanz ausgewiesen sind,
      3. Landschaftsschutzgebiete,
      4. Besondere Schutzgebiete nach § 32 BNatSchG,
      5. Bereiche, die aus Gründen des Landschaftsbildes, der naturbezogenen Erholung und der Sicherung historischer Kulturlandschaften von besonderer Bedeutung sind, einschließlich weithin einsehbare, landschaftsprägende Landschaftsteile wie Geländerücken, Kuppen und Hanglagen und schutzwürdige Täler.

Hinweis zur Einzelfallprüfung:
FPV-Anlagen auf Flächen der Kategorie Vorbehaltsflur I können ausnahmsweise für zulässig erklärt werden, wenn diese eine funktionale Zuordnung zu einem landwirtschaftlichen Betrieb oder einer Körperschaft des öffentlichen Rechts vorweisen.

    1. Geeignete Standorte:
      1. Flächen, die als Grenzflur und Untergrenzflur in der Flurbilanz ausgewiesen sind,
      2. Versiegelte Konversionsflächen,
      3. Abfalldeponien sowie Altlasten und Altlastenverdachtsflächen,
      4. Vorhabenbezogene Bebauungspläne mit naturschutzrechtlicher Eingriffsregelung


  1. Sichtbarkeit/Landschaftsbild (Ausschlusskriterien)

    1. Ein direktes Angrenzen von Photovoltaik-Freiflächen an bestehende und absehbare künftige Wohngebiete und eine Errichtung in unmittelbarer Nähe von Siedlungen ist zu vermeiden. Störende Blendwirkungen sind auszuschließen.

    1. Der Projektentwickler bzw. -betreiber muss im Vorfeld eines Bauleitplanverfahrens nachvollziehbar darlegen, dass dies gewährleistet ist, zum Beispiel mit Hilfe einer Sichtbarkeitsanalyse oder einer Visualisierung.


  1. Landwirtschaftliche Qualität der Böden

Der Bau von FPV-Anlagen soll nicht zu einer Verknappung qualitativ besonders hochwertiger landwirtschaftlicher Flächen führen.

    1. Als Standorte sind Grünflächen gegenüber bisherigen Ackerflächen vorzuziehen.
    2. kommen mehrere Flächen für Freiflächen-Photovoltaik in Frage, sind Flächen mit geringerer Bodenqualität zu bevorzugen.

  1. Natur- und Artenschutz-Verträglichkeit

    1. Der Projektentwickler muss im Vorfeld eines Bauleitplanverfahrens nachweisen, wie die Fläche nach Inbetriebnahme gepflegt werden wird, einschließlich des Abflusses von Regenwasser, falls notwendig. Dies muss so erfolgen, dass die Artenvielfalt auf den Flächen gefördert wird.

    1. Orientierung bietet dabei das gemeinsame Papier der baden-württembergischen Umweltverbände. Es empfiehlt z. B. eine extensive Pflege der Flächen, z. B. mit Schafbeweidung oder Mahd. Ackerflächen können mit Heudrusch nah gelegener, artenreicher Wiesen oder Wildpflanzen-Saatgut aus regionaler Produktion eingesät werden.

    2. Der Betreiber muss durch eine fachgerechte Pflege der Anlagenflächen sicherstellen, dass die Bewirtschaftung benachbarter, landwirtschaftlich genutzter Flächen nicht beeinträchtigt wird.

Erläuterungen/Konkretisierungen der Vorgaben zum Natur- und Artenschutz

    1. Der Gesamtversiegelungsgrad einer FPV-Anlage sollte inklusive aller Gebäudeteile 5% der Fläche nicht überschreiten. Unter den Modulen wird extensiver Bewuchs von Spontanvegetation oder heimischen standortgerechten Arten und deren Pflege vorgesehen.

    1. Die Installation der Modulreihen ist so zu wählen, dass eine ausreichende Versickerung der Niederschläge sichergestellt wird. Dies kann z.B. durch größere Abstände zu den nächsten Modulreihen, breite Montagefugen zwischen den Modulen oder einen Regenwasserabfluss ermöglicht werden.

    1. Die Aufständerung der FPV-Anlagen hat ausreichend Platz vom Boden bis zur Unterkante der Solar-Module aufzuweisen, damit Tiere darunter durchwandern können. Als Richtwert gelten 80 cm Abstand, damit z.B. Schafe problemlos zur Pflege der Flächen eingesetzt werden können.

    1. Der Antragsteller muss die Umzäunung der Anlage so gestalten, dass sie Natur- und Artenschutz fördert. Die Umzäunung der Anlage muss eine Durchlässigkeit für Kleintiere gewährleisten. Der Abstand des Zauns zum Boden hat 15-20 cm zu betragen oder die Maschen im bodennahmen Beriech müssen eine ausreichende Maschengrößen vorweisen.

    1. Außerhalb der Einzäunung der Anlage ist ein Grünstreifen mit naturnah gestaltetem Heckenbewuchs aus einheimischen Arten als Biotop und Sichtschutz zu gestalten.


  1. Nachhaltige wirtschaftliche Wertschöpfung / kommunale Interessen

    1. Es ist sicher zu stellen, dass die Gewerbesteuereinnahmen vollumfänglich der Gemeinde Dischingen zukommen. Demnach muss der Betriebssitz im Gemeindegebiet liegen. Dies soll beispielsweise durch eine Beteiligung der Gemeinde Dischingen an der zu gründenden Gesellschaft sichergestellt werden. Der Gesellschaftsvertrag soll eine Regelung enthalten, wonach eine Verlegung des Betriebssitzes ohne Zustimmung des Gesellschafters Gemeinde Dischingen nicht erfolgen kann.

    1. Gemäß § 6 Abs.3 EEG können bei FPV- Anlagen den betroffenen Gemeinden Beträge von 0,2 Cent pro Kilowattstunde für die tatsächlich eingespeiste Strommenge angeboten werden. Dies sollte von der Gemeinde mindestens verlangt werden.

    1. Die Wahrung kommunaler Interessen erfolgt durch eine vertragliche Regelung, die u.a. die Verpflichtung des Projektentwicklers zum Rückbau nach Ablauf der Betriebslaufzeit, die verbindliche Formulierung von Aspekten der Projektausgestaltung sowie Sanktionsmöglichkeiten bei Nichteinhaltung von Vertragsgegenständen beinhaltet.


  1. Netzanbindung und Einspeisung

    1. Netzanbindung: Die Anbindung der Freiflächen-PV-Anlagen an das Stromnetz erfolgt per Erdverkabelung. Vor einiger Zeit wurde der Gemeinde ein Projekt zwischen Dunstelkingen und Eglingen vorgestellt, das eine Einspeisung bei Wahlberg (Nattheim) vorgesehen hat. Dies hätte zur Folge gehabt, dass eine Kabeltrasse quer durchs Gemeindegebiet gezogen werden müsste. In diesem Zusammenhang sind einige Fragen offen geblieben (Leitungsverlauf, Dienstbarkeiten, etc.). Deshalb ist für Projekte auch ein Lageplan mit dem Verlauf des Netzanbindungskabels auf dem Gemeindegebiet vorzulegen.

    1. Einspeisung: Nach Rücksprache mit dem Energieversorger können nach wie vor aufgrund des hohen Antragsaufkommens nur für einen Bruchteil der Anträge auch Einspeisezusagen erteilt werden. Deshalb ist vom Antragsteller eine verbindliche Erklärung über die Einspeisungsmöglichkeiten gegenüber der Gemeinde abzugeben.


  1. Gewichtung der Kriterien

    1. Die Kriterien sind nicht als Ausschluss-, sondern als Abwägungskriterien zu verstehen mit Ausnahme von Ziffer 6; diese Informationen sind verbindlich vorzulegen.

    2. Der Gemeinderat wägt in der Gesamtschau aller Kriterien ab, ob die FPV-Anlage als verträglich eingeschätzt wird und ob der Nutzen für die Erzeugung regenerativer Energien überwiegt. Kommen mehrere Projekte/Standorte prinzipiell in Frage, dann werden diese anhand der Kriterien miteinander verglichen.

    1. Ein Anspruch auf Aufstellung eines vorhabenbezogenen Bebauungsplanes lässt sich auch bei Erfüllung aller Kriterien nicht ableiten.

Datenstand vom 22.01.2024 11:49 Uhr