Kriterienkatalog für Freiflächen-Photovoltaikanlagen


Daten angezeigt aus Sitzung:  Gemeinderatssitzung, 27.03.2023

Beratungsreihenfolge
Gremium Sitzung Sitzungsdatum ö / nö Beratungstyp TOP-Nr.
Gemeinderat Gemeinderatssitzung 27.03.2023 ö 6

Sachverhalt

Grundsätzliches:

Gemeindemitarbeiterin Schneidermeier erläutert, dass die Gemeinde Dischingen in den vergangenen Monaten verschiedene Anfragen zur Errichtung von Freiflächen-Photovoltaikanlagen (FPV-Anlagen) erreicht haben. Solche können nur umgesetzt werden, wenn die Gemeinde hierfür über die Aufstellung eines vorhabenbezogenen Bebauungsplanes und die Änderung des Flächennutzungsplanes die bauplanungsrechtlichen Voraussetzungen schafft.

In der ersten Jahreshälfte 2022 hat der Gemeinderat am 04.04.2022 beschlossen, über die Änderung des Flächennutzungsplanes und die Aufstellung eines Bebauungsplanes die bauplanungsrechtlichen Voraussetzungen für die Errichtung einer FPV-Anlage durch die Landeswasserversorgung zu schaffen. Am 25.07.2022 hat der Gemeinrat für einen privaten Eigentümer einen Aufstellungsbeschluss für den Bebauungsplan „Kanzeltal“ gefasst. Beiden Beschlüssen lagen Anfragen von Grundstückseigentümern zugrunde. Dies ist bei den oben genannten Anfragen nicht der Fall.

Der Gemeinderat hat die Verwaltung beauftragt, für die Aufstellung eines vorhabenbezogenen Bebauungsplans zur Errichtung von FPV-Anlagen im Außenbereich der Gemeinde Dischingen einen Kriterienkatalog zu erarbeiten. Die Verwaltung hat sich an den Kriterienkatalogen von anderen Gemeinden und am gemeinsamen Papier von Naturschutzbund Deutschland e.V. (NABU) und dem Bundesverband der Solarwirtschaft e.V. (BSW) orientiert.

Kriterienkatalog

  1. Standortwahl

FPV-Anlagen sollen möglichst in Reichweite von Einspeisungspunkten realisiert werden. Bei der Standortwahl ist grundsätzlich zu beachten:

    1. Ausschluss grundsätzlich nicht geeigneter Standorte (harte Restriktionen):
Diese Standorte sind für die Errichtung von FPV-Anlagen aus rechtlichen und/oder fachlichen Gründen grundsätzlich ungeeignet.
      1. Naturschutzgebiete,
      2. (Flächen-) Naturdenkmale,
      3. Überschwemmungsflächen, Wasserschutzgebiete der Zone I (und II),
      4. Biotopverbundflächen,
      5. Sowie in gesetzlich geschützten Biotopen nach §30 BNatSchG.
    1. Ausschluss bedingt geeigneter Standorte (weiche Restriktionen):
Dies sind Flächen, die für die Errichtung von FPV-Anlagen nur bedingt geeignet sind. Diese Flächen haben in der Regel eine große Bedeutung für Natur und Landschaft. Vor diesem Hintergrund ist im Rahmen einer Prüfung des Einzelfalls darzulegen, ob und warum die mit der Errichtung von FPV-Anlagen verbundenen Auswirkungen auf Natur und Landschaft am konkreten Standort aus naturschutzrechtlicher und fachlicher Sicht vertretbar sind.
      1. Landschaftsschutzgebiete,
      2. Besondere Schutzgebiete nach §32 BNatSchG,
      3. Bereiche, die aus Gründen des Landschaftsbildes, der naturbezogenen Erholung und der Sicherung historischer Kulturlandschaften von besonderer Bedeutung sind, einschließlich weithin einsehbare, landschaftsprägende Landschaftsteile wie Geländerücken, Kuppen und Hanglagen und schutzwürdige Täler.

    1. Geeignete Standorte:
      1. Versiegelte Konversionsflächen,
      2. Abfalldeponien sowie Altlasten und Altlastenverdachtsflächen,
      3. Vorhabenbezogene Bebauungspläne mit naturschutzrechtlicher Eingriffsregelung

  1. Sichtbarkeit/Landschaftsbild (Ausschlusskriterien)

    1. Ein direktes Angrenzen von Photovoltaik-Freiflächen an bestehende und absehbare künftige Wohngebiete und eine Errichtung in unmittelbarer Nähe von Siedlungen soll möglichst vermieden werden. Störende Blendwirkungen sollen ausgeschlossen werden.

    1. Der Projektentwickler bzw. -betreiber muss im Vorfeld eines Bauleitplanverfahrens nachvollziehbar darlegen, dass dies gewährleistet ist, zum Beispiel mit Hilfe einer Sichtbarkeitsanalyse oder einer Visualisierung.

  1. Landwirtschaftliche Qualität der Böden

Der Bau von FPV-Anlagen soll nicht zu einer Verknappung qualitativ besonders hochwertiger landwirtschaftlicher Flächen führen.

    1. Als Standorte sind Grünflächen gegenüber bisherigen Ackerflächen vorzuziehen.

    1. kommen mehrere Flächen für Freiflächen-Photovoltaik in Frage, sind Flächen mit geringerer Bodenqualität zu bevorzugen. 

  1. Natur- und Artenschutz-Verträglichkeit

    1. Der Projektentwickler muss im Vorfeld eines Bauleitplanverfahrens nachweisen, wie die Fläche nach Inbetriebnahme gepflegt werden wird, einschließlich des Abflusses von Regenwasser, falls notwendig. Dies muss möglichst so erfolgen, dass die Artenvielfalt auf den Flächen gefördert wird.

    1. Orientierung bietet dabei das gemeinsame Papier der baden-württembergischen Umweltverbände. Es empfiehlt z. B. eine extensive Pflege der Flächen, z. B. mit Schafbeweidung oder Mahd. Ackerflächen können mit Heudrusch nah gelegener, artenreicher Wiesen oder Wildpflanzen-Saatgut aus regionaler Produktion eingesät werden.

    2. Der Betreiber muss durch eine fachgerechte Pflege der Anlagenflächen sicherstellen, dass die Bewirtschaftung benachbarter, landwirtschaftlich genutzter Flächen nicht beeinträchtigt wird.

Erläuterungen/Konkretisierungen der Vorgaben zum Natur- und Artenschutz

    1. Der Gesamtversiegelungsgrad einer FPV-Anlage sollte inklusive aller Gebäudeteile 5% der Fläche nicht überschreiten. Unter den Modulen wird extensiver Bewuchs von Spontanvegetation oder heimischen standortgerechten Arten und deren Pflege vorgesehen.

    1. Die Installation der Modulreihen sollte so gewählt werden, dass eine ausreichende Versickerung der Niederschläge sichergestellt wird. Dies kann z.B. durch größere Abstände zu den nächsten Modulreihen, breite Montagefugen zwischen den Modulen oder einen Regenwasserabfluss ermöglicht werden.

    1. Die Aufständerung der FPV-Anlagen sollte ausreichend Platz vom Boden bis zur Unterkante der Solar-Module aufweisen, damit Tiere darunter durchwandern können. Als Richtwert gelten 80 cm Abstand, damit z.B. Schafe problemlos zur Pflege der Flächen eingesetzt werden können.

    1. Der Antragsteller muss die Umzäunung der Anlage so gestalten, dass sie Natur- und Artenschutz fördert. Die Umzäunung der Anlage muss eine Durchlässigkeit für Kleintiere gewährleisten. Der Abstand des Zauns zum Boden sollte 15-20 cm oder ausreichende Maschengrößen im bodennahen Bereich betragen.

    1. Außerhalb der Einzäunung der Anlage soll ein Grünstreifen mit naturnah gestaltetem Heckenbewuchs aus einheimischen Arten als Biotop und Sichtschutz vorgesehen werden.

  1. Nachhaltige wirtschaftliche Wertschöpfung/ Wahrung kommunaler Interessen

    1. Die Gewerbesteuereinnahmen sollen möglichst zu 100% (so hoch wie es das Steuerrecht zulässt) der Gemeinde Dischingen zukommen. Dies ist in der Regel der Fall, wenn der Betriebssitz im Gemeindegebiet liegt.

    1. Gemäß § 6 Abs.3 EEG können bei FPV- Anlagen den betroffenen Gemeinden Beträge von insgesamt 0,2 Cent pro Kilowattstunde für die tatsächlich eingespeiste Strommenge angeboten werden.

    1. Die Wahrung kommunaler Interessen erfolgt durch eine vertragliche Regelung, die u.a. die Verpflichtung des Projektentwicklers zum Rückbau nach Ablauf der Betriebslaufzeit, die verbindliche Formulierung von Aspekten der Projektausgestaltung sowie Sanktionsmöglichkeiten bei Nichteinhaltung von Vertragsgegenständen beinhaltet.

  1. Netzanbindung und Einspeisung

    1. Netzanbindung: Die Anbindung der Freiflächen-PV-Anlagen an das Stromnetz erfolgt per Erdverkabelung. Vor einiger Zeit wurde der Gemeinde ein Projekt zwischen Dunstelkingen und Eglingen vorgestellt, das eine Einspeisung bei Wahlberg (Nattheim) vorgesehen hat. Dies hätte zur Folge gehabt, dass eine Kabeltrasse quer durchs Gemeindegebiet gezogen werden müsste. In diesem Zusammenhang sind einige Fragen offen geblieben (Leitungsverlauf, Dienstbarkeiten, etc.). Deshalb ist für Projekte auch ein Lageplan mit dem Verlauf des Netzanbindungskabels auf dem Gemeindegebiet vorzulegen.

    1. Einspeisung: Nach Rücksprache mit dem Energieversorger können derzeit aufgrund des hohen Antragsaufkommens nur für einen Bruchteil der Anträge auch Einspeisezusagen erteilt werden. Deshalb ist vom Antragsteller eine verbindliche Erklärung über die Einspeisungsmöglichkeiten gegenüber der Gemeinde abzugeben.

  1. Gewichtung der Kriterien

    1. Die Kriterien sind nicht als Ausschluss-, sondern als Abwägungskriterien zu verstehen mit Ausnahme von Ziffer 6. Diese Informationen sind verbindlich vorzulegen

    1. Der Gemeinderat wägt in der Gesamtschau aller Kriterien ab, ob die FPV-Anlage als verträglich eingeschätzt wird und ob der Nutzen für die Erzeugung regenerativer Energien überwiegt. Kommen mehrere Projekte/Standorte prinzipiell in Frage, dann können diese anhand der Kriterien miteinander verglichen werden

    1. Ein Anspruch auf Aufstellung eines vorhabenbezogenen Bebauungsplanes lässt sich auch bei Erfüllung aller Kriterien nicht ableiten.

Datenstand vom 05.04.2023 10:54 Uhr