Forstneuorganisation-Projekt "Kreisforstamt Heidenheim"


Daten angezeigt aus Sitzung:  Klausurtagung, 04.01.2019

Beratungsreihenfolge
Gremium Sitzung Sitzungsdatum ö / nö Beratungstyp TOP-Nr.
Gemeinderat Klausurtagung 04.01.2019 ö 3

Sachverhalt

Bürgermeister Jakl erläutert, dass aufgrund des Kartellverfahrens gegen das Land Baden-Württemberg und den Ministerratsbeschlüssen des Landes vom 04.04.2017 und 18.07.2017 die gesamte Forstverwaltung neu organisiert wird. Die Bewirtschaftung des Staatswaldes wird einer Anstalt des öffentlichen Rechts des Landes (AöR) übertragen. Das Landratsamt beabsichtigt, seine untere Forstbehörde zu einem Kreisforstamt umzugestalten, das die Aufgaben der Forstorganisation für den Nicht-Staatswald bis auf den Holzverkauf wahrnimmt. Der Holzverkauf für den Kommunal- und Privatwald wird weiterhin von der kommunalen Holzverkaufsstelle des Landkreises angeboten. Die forstliche Betreuung und der Holzverkauf müssen aufgrund des § 46 Bundeswaldgesetz zu kostendeckenden Sätzen angeboten werden. Der Stichtag und damit der Umsetzungszeitpunkt der Neuorganisation ist der 01.01.2020. 

Die Zielsetzung für das Projekt „Kreisforstamt“ des Landkreises lautet, dass zum 01.01.2020 eine neue Forstorganisation mit einem flächendeckenden, forstlichen Beratungs- und Betreuungsangebot für alle Kommunal- und Privatwald-Besitzenden besteht.

Nach dem richtungsweisenden Sieg des Landes im Gerichtsstreit zum Kartellverfahren Forst vor dem Bundesgerichtshof (BGH) gegen das Land Baden-Württemberg vom 12.06.2018 ist im Übrigen Folgendes von besonderer Bedeutung, um zu einer dauerhaft belastbaren Forstorganisation zu gelangen:
  • § 46 Bundeswaldgesetz (neu), der den Holzverkauf als wirtschaftliche Tätigkeit einstuft und die dem eigentlichen Holzverkauf vorgelagerten forstlichen Dienstleistungen vom Wettbewerbsrecht freistellt, gleichzeitig aber den diskriminierungsfreien Marktzugang für diese Dienstleistungen fordert.
  • Wettbewerbsrecht, Vergaberecht, EU-Beihilferecht.
  • Der Koalitionsvertrag der Landesregierung, der festschreibt, dass die Staatswaldbewirtschaftung auf eine Anstalt des öffentlichen Rechts (AöR) zu übertragen ist.
Unter Berücksichtigung dieser Rahmenbedingungen hat das Land gemeinsam mit den kommunalen Landesverbänden das sogenannte Kooperationsmodell für die Forstorganisation in Baden-Württemberg entwickelt. Es zeichnet sich durch folgende Eckpunkte aus:
  • Das Modell sieht eine weitgehende Beibehaltung der Betreuungsleistungen der unteren Forstbehörde (uFB) für den Kommunal- und Privatwald vor, die als Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse eingestuft werden und damit nicht dem Vergaberecht unterliegen.
  • Der kommunale Waldbesitzer kann damit wie bisher entweder - ohne Ausschreibung - die Leistungen der uFB (forsttechnische Betriebsleitung und Revierdienst) abrufen, den Revierdienst mit eigenem Personal durchführen und nur die forsttechnische Betriebsleitung von der uFB ausführen lassen; oder alternativ ein Körperschaftliches Forstamt gründen, um die forsttechnische Betriebsleitung, den Revierdienst und die originär hoheitlichen Aufgaben über die Waldbesitzer auf dem gemeindlichen Gemarkungsgebiet selbst auszuüben.
  • Die kommunalen Waldbesitzer erhalten im Rahmen des Modells erstmals einen Mehrbelastungsausgleich des Landes für die besonderen Allgemeinwohlverpflichtungen, die vom Kommunalwald gefordert werden. 
  • Die uFBen bieten keinen staatlichen Holzverkauf mehr an. Dieser kann künftig über die kommunalen Holzverkaufsstellen in den Landkreisen, Forstbetriebsgemeinschaften oder Genossenschaften abgewickelt werden.
  • Der hoheitliche Aufgabenbestand der uFB bleibt unverändert und wird vom Land finanziert.
  • Die Forsteinrichtung als wichtiger Beitrag einer umfassenden Daseinsvorsorge wird wie bisher angeboten und ebenfalls weitgehend vom Land finanziert.
  • Die kostenfreie, umfassende Beratung der Waldbesitzer bleibt staatliche Aufgabe der uFBen.
  • Der Privatwald erhält eine direkte Förderung zum Einkauf von Betreuungsleistungen; unter 30 Hektar (befristet sogar 50 Hektar) erfolgt ein vergünstigtes, staatliches Angebot durch die uFB mit indirekter Förderung.
  • Forstbetriebsgemeinschaften werden im Ausbau ihres forstlichen Leistungsangebots unterstützt.
Die Umsetzung des Kooperationsmodells im Landkreis Heidenheim erfolgt in enger Zusammenarbeit mit den Kommunal- und Privatwaldbesitzern. Ein Abstimmungsgremium für das Projekt „Kreisforstamt“, bestehend aus der Landkreisverwaltung und allen Kommunen im Kreis sowie Vertretungen der Privatwaldbesitzer, wird laufend am Projekt beteiligt. Zuletzt wurden die Projektinhalte am 22.10.2018 und am 13.12.2018 erörtert. Wie schon zuvor wurde seitens des Landratsamtes der Vorschlag unterbreitet, weiterhin mit den Städten und Gemeinden in Form eines Kreisforstamts und der kommunalen Holzverkaufsstelle zusammenarbeiten. Die Stadt Heidenheim plant aus heutiger Sicht, den Revierdienst und den Holzverkauf - wie bisher - mit eigenem Personal durchzuführen. Von allen übrigen Beteiligten - vorbehaltlich der erforderlichen Gremienentscheidungen - wurde das entsprechende grundsätzliche Interesse an der vorbezeichneten Zusammenarbeit geäußert. Die Ausgestaltung der auf die Kommunen umzulegenden kreisindividuellen „Gestehungskosten“ wurde am 13.12.2018 dargestellt (siehe Anhang). Vor dem Hintergrund der aktuell zu beachtenden Rahmenbedingungen und der zu erledigenden Aufgaben ist die vorgeschlagene Ausgestaltung auch für die Kommunen im Landkreis eine zweckmäßige und wirtschaftliche Lösung. Alle Kommunen können somit die bisherige Form der Zusammenarbeit mit dem Landkreis, mit der sie zufrieden waren, fortsetzen. 

Das Kreisforstamt als untere Forstbehörde ist eine Organisationsvariante, die vereinfacht beschrieben werden kann mit „weiter wie bisher ohne Staatswald-Bewirtschaftung“. Als Zielorganisation für das Kreisforstamt sind voraussichtlich 5 Forstreviere im Nicht-Staatswald mit einer Zentrale im Landratsamt geplant (siehe Grafik im Anhang). Dabei kommen insgesamt voraussichtlich eine Beamtin/Beamter des höheren Forstdienstes, 8,5 Beamtinnen/Beamte des gehobenen Forstdienstes (in Vollzeitäquivalenten, davon 6 im Revierdienst) und eine Verwaltungsangestellte (ca. 0,7 Vollzeitäquivalente) zum Einsatz. Ihre Hauptaufgaben sind forsttechnische Betriebsleitung, Forsthoheit, Beratung, Förderung, Waldpädagogik, Waldnaturschutz und forstliche Betreuungsleistungen. Die kommunale Holzverkaufsstelle des Landkreises - sie existiert seit September 2015 - hat sich ebenfalls bewährt. Geplant ist eine Fortführung mit 1,5 Personalstellen. Auf dem regionalen Holzmarkt gibt es derzeit keine Alternative für großräumigere Kooperationen.

Die Vertragslaufzeiten und die Gebühren der neu zu gestaltenden Verträge sollen voraussichtlich zunächst auf 5 Jahre festgelegt und unter Berücksichtigung der Erkenntnisse der Zwischenrevision der Forsteinrichtung verlängert werden. Ein detailliertes Leistungsverzeichnis zu den forstlichen Betreuungsleistungen und zum Holzverkauf wird Vertragsgegenstand. Es wird sich gegenüber den bisherigen Betreuungsleistungen nichts Grundsätzliches verändern. 

Die Kostenbeiträge der bisher von der uFB betreuten Kommunen für die Betreuung werden insgesamt um ca. 75.000 EUR steigen. Die rechtlich zu beachtenden Vorgaben schreiben kostendeckende Sätze vor; eine indirekte Subventionierung - wie bisher - ist nicht mehr möglich. Die voraussichtlichen zukünftigen Betreuungskosten der einzelnen Städte und Gemeinden sind im Anhang dargestellt. Die bisher stark subventionierten Kosten für den Holzverkauf werden sich erhöhen von ca. 1 EUR je verkauftem Kubikmeter Holz auf ca. 2,50 - 3,00 EUR. Laut Informationen benachbarter Landkreise werden dort vergleichbare Kostensteigerungen erwartet.

Damit die weitere Umsetzung des Projekts Kreisforstamt durch die Landkreisverwaltung 
- auch in personeller Hinsicht - angegangen werden kann, ist eine Planungssicherheit erforderlich. Gleiches gilt für den Weiterbetrieb der kommunalen Holzverkaufsstelle. Die Städte und Gemeinden wurden daher in der Regel bis zum 31.01.2019 auf der Grundlage von Gemeinderatsbeschlüssen um entsprechende Rückmeldungen gebeten. Die detaillierte Vertragsausgestaltung wird im Anschluss angegangen.

Weitere Hintergründe zur Forstreform des Landes
Im Projekt des Landes wird die Übertragung der Bewirtschaftung des Staatswaldes auf die ForstBW AöR zum 01.01.2020 erarbeitet. Das Landratsamt Heidenheim ist durch die Herauslösung der Staatswald-Bewirtschaftung besonders stark betroffen, da der Wald im Landkreis Heidenheim zu fast 50 % aus Staatswald besteht. Für den Personalübergang in die anteilig im Landkreis liegenden ForstBW AöR-Betriebsteile Östliche Alb und Ulmer Alb sowie in das zukünftige Kreisforstamt Heidenheim wird ein regional begrenztes Personalbesetzungsverfahren mit einem Interessenbekundungsverfahren durchgeführt. Es beginnt voraussichtlich Ende Januar 2019. Der Personalübergang erfolgt nach dem Grundsatz „Personal folgt Aufgabe“. Personalwechsel sollen nur in reformbedingtem Umfang stattfinden. Die örtlichen Kenntnisse und die örtliche Vertrautheit im Forstrevierdienst sollen keinesfalls infolge der Forstreform verloren gehen. Die große Kundenzufriedenheit der Kommunen soll auch dadurch erhalten werden.
Anhang Voraussichtliche Kostenbeiträge für die Betreuung
Anhang Vorläufige Forstrevier-Einteilung für das Kreisforstamt Heidenheim

Datenstand vom 04.11.2021 15:18 Uhr