Baugebiet "Aschenfeld-Helfensteinstraße"; Rechtsstreit mit der Bauland Erschließungsgesellschaft mbH R. & J. KG - Beschluss über die Erhebung einer Widerklage


Daten angezeigt aus Sitzung:  Gemeinderatssitzung, 27.06.2017

Beratungsreihenfolge
Gremium Sitzung Sitzungsdatum ö / nö Beratungstyp TOP-Nr.
Gemeinderat Gemeinderatssitzung 27.06.2017 ö 1

Sachverhalt

Hierzu kann Bürgermeister Jakl Herrn Prof. Dr. Birk vom Anwaltsbüro Eisenmann, Wahle, Birk und Weidner in Stuttgart begrüßen.

Bürgermeister Jakl berichtet, dass sich die Gemeinde Dischingen 1999 (vor 17 Jahren) entschieden hat, bei der Erschließung des Baugebietes „Aschenfeld-Helfensteinstraße“ einen neuen Weg einzuschlagen und die Erschließung dieses Baugebietes und die Vermarktung der Bauplätze einem Erschließungsträger zu übertragen. 

Mit der bereits genannten Bauland Erschließungsgesellschaft wurde auch ein Partner gefunden, mit dem Einigkeit über diese Form der Baulanderschließung und Vermarktung der Bauplätze erzielt werden konnte. 

Es kam daraufhin am 12.11.1999 zum Abschluss eines Städtebaulichen Vertrages und Erschließungsvertrages, in dem die jeweils zu erbringenden Leistungen genau definiert wurden. 

In diesem Vertrag wurde u.a. auch geregelt, dass zu den Erschließungsmaßnahmen auch Maßnahmen außerhalb des Erschließungsgebietes gehören, wie die Herstellung von Durchlässen unter der Erzbergstraße und der Fleinheimer Straße zur Ableitung der Oberflächenwasser aus dem Fleinheimer Bach. Die Kosten für diese Maßnahmen flossen damals auch in die Bauplatzpreiskalkulation ein. 

Die Bauland Erschließungsgesellschaft mbH R. & J. KG hat bis zum heutigen Zeitpunkt, mit Ausnahme des Durchlasses unter der Fleinheimer Straße, sämtliche Erschließungsmaßnahmen entsprechend den vertraglichen Vereinbarungen durchgeführt.
Da der Bauplatzverkauf nur sehr schleppend von statten ging, war die Gemeinde der Bauland Erschließungsgesellschaft gegenüber sehr großzügig und hat bis zum Jahr 2014 keinen Druck zur Ausführung des Durchlasses unter der Fleinheimer Straße ausgeübt. 

Bis zum Februar 2014 war zwischen den Vertragsparteien auch völlig unstrittig, dass dieser Durchlass von der Bauland Erschließungsgesellschaft mbH R. & J.KG noch hergestellt werden muss. 

Es war deshalb sehr überraschend und enttäuschend, dass die Bauland Erschließungsgesellschaft mbH R. & J. KG das Anwaltsbüro Mössner & Partner mit der Vertretung ihrer Interessen beauftragt hat. 
In einem Schriftsatz vom 03.02.2014 hat Rechtsanwalt Dr. Vetter aus diesem Anwaltsbüro dargelegt, dass die Bauland Erschließungsgesellschaft mbH R. & J. KG der Auffassung ist, dass der Durchlass unter der Fleinheimer Straße nicht mehr auf deren Kosten hergestellt werden muss, da die Hochwasserschutzmaßnahmen nicht nur dem Baugebiet „Aschenfeld-Helfensteinstraße“, sondern auch dem Gewerbegebiet „In den Wannen“ und dem Baugebiet „Aschenfeld-Hürnheimstraße“ dienen und somit eine anteilige Kostenzurechnung erfolgen muss. 

Nachdem in der Folgezeit keine gütliche Einigung zwischen der Gemeinde und der Bauland Erschließungsgesellschaft erzielt werden konnte, hat die Bauland Erschließungsgesellschaft am 20.02.2017 beim Verwaltungsgericht Stuttgart Klage gegen die Gemeinde Dischingen erhoben. 

Das Gericht soll demnach feststellen, dass für die Gemeinde kein Anspruch mehr auf Herstellung des Durchlasses unter der Fleinheimer Straße aus den genannten Gründen und wegen Verjährung besteht. 

Herr Prof. Dr. Birk wird nun die Möglichkeiten der weiteren Vorgehensweise aufzeigen.

Prof. Dr. Birk erläutert, dass es sich hierbei um einen städtebaulichen Vertrag handelt. Das heißt, man kann nur das im Vertrag verlangen, was das Baugebiet benötigt. Den Durchlass unter der Fleinheimer Straße hat der Erschließungsträger wohl nicht gebaut, weil er sich verkalkuliert hat. Das ist aber sein Risiko und nicht das der Gemeinde. Und das ist das große Streitthema. Die Bauland Erschließungsgesellschaft mbH R. & J. KG spielt nun auf Verjährung, was für die Gemeinde nicht ganz unproblematisch ist, da bereits schon sehr lange, seit 1999, herumgehandelt wird. Prof. Dr. Birk denkt aber, dass die Gemeinde über das Verjährungsproblem hinwegkommen kann, da erst 2014 gesagt worden ist, dass der Durchlass nicht nötig wäre. Er rät aber zur Widerklage seitens der Gemeinde, da ein Anspruch Ende 2017 wirklich verjähren würde. 
Es gibt zwei Varianten der Widerklage:
  • Klage auf Vertragserfüllung oder
  • Schadensersatzklage auf die anfallenden Baukosten.

Letztes wäre auch eine rechtlich vollstreckbare Lösung, da die Gemeinde den Durchlass dann selbst als Bauherr errichten muss. Vor Gericht sind die beiden entscheidenden Fragen, ob man den Durchlass allein für das Gebiet Aschenfeld-Helfensteinstraße braucht und ob die Verjährung greift. 

Gemeinderat Danner fragt nach, ob die Grundstückskäufer, die den Durchlass in den Bauplatzpreisen mitbezahlten, Ansprüche auf Erfüllung haben. Dazu kann Prof. Dr. Birk sagen, dass diese Regelung im Auftrag stehen müsste. Eine Rückzahlung würde nur erfolgen, wenn im Vertrag eine Preisgestaltung genannt wurde. Darüber weiß Bürgermeister Jakl, dass dies nur in die Kalkulation der Bauplatzpreise mit einfloss, aber nicht vertraglich geregelt ist.

Gemeinderat Wörner erkundigt sich, ob ein Vertragszeitraum definiert wurde. Dies verneint Prof. Dr. Birk. Deshalb ist die Forderung sofort zu erfüllen. Die Gemeinde hat Entgegenkommen inzwischen viele Male verlängert. Der Anspruch verjährt entsprechend des Baufortschritts. Bürgermeister Jakl ergänzt, dass die Bauland Erschließungsgesellschaft mbH R. & J. KG anfangs noch die restlichen Bauplätze an die Gemeinde verkaufen und den Durchlass bauen wollte. Dies lehnte der Gemeinderat jedoch ab. Danach hat man bis zur Absage 2014 nach Gesprächen jedes Jahr den Bau des Durchlasses verschoben. Er ist sehr enttäuscht, dass eine langjährige gute Zusammenarbeit so zerstört wurde. Deshalb tendiert er zur Schadensersatzklage. 

Ortsvorsteher Baum merkt an, dass kein Bauplatzverkauf ohne Satzung erfolgt. Das Landratsamt hätte deshalb den Durchlass fordern müssen. Darauf entgegnet Prof. Dr. Birk, dass das Landratsamt in diesem Fall außen vor ist, da die Gemeinde der Streitgegner ist. Wenn Mängel beim Durchlassbau auftreten, ist ein erneuerter Streit vorprogrammiert. Aus diesem Grund wäre eine Schadensersatzklage vorteilhafter. 
Gemeinderat Pappe bringt vor, dass der Durchlass in die Bauplatzpreise einkalkuliert war und stellt deshalb die Frage, ob der Bauplatz evtl. zu teuer war, da nicht alle verkauft wurden. Dies kommt auf die Vertragsgestaltung an, meint Prof. Dr. Birk. 
Gemeinderat Röhm erkundigt sich nach den Kosten, die für eine Schadensersatzklage festgesetzt werden. Prof. Dr. Birk erläutert, dass ein Kostenvoranschlag bereits vorliegt und daran angepasst wird. Die Kosten belaufen sich auf ca. 360.000 Euro. Daraufhin fragt Gemeinderat Pappe nach, was passiert, wenn die Bauland Erschließungsgesellschaft mbH R. & J. KG nicht zahlen kann. In diesem Fall haben sie auch noch ein paar Bauplätze und es gibt eine Bürgschaft von 140.000 Euro, die für die Gemeinde zurückbehalten wurde und auf die im Fall eines juristischen Erfolgs zugegriffen werden könnte. 
Gemeinderat Scherer ist der Auffassung, dass der Gemeinde keine andere Möglichkeit bleibt wie zu klagen. Künftig sollte die Gemeinde aber bei Verträgen noch mehr ins Detail gehen.
Auch Gemeinderat Wörner spricht sich für eine Gegenklage aus. 
Zum zeitlichen Ablauf teilt Prof. Dr. Birk abschließend mit, dass die Klagefrist zwar im Juli abläuft, aber er vermutet, dass sie vor Mitte 2018 oder auch erst in zwei Jahren, keinen Verhandlungstermin beim Landesgericht Stuttgart bekommen werden, da das Verwaltungsgericht sehr überfüllt ist. 

Dokumente
Luftbild Birk (.pdf)

Datenstand vom 04.11.2021 14:27 Uhr